Grüße aus der Unterwelt

 

Grundsätzlich geht es mir schon viel besser. Und so langsam habe ich mich wieder eingelebt und fühle mich auch allmählich wohl hier. Dass es hier nie richtig hell wird und es entweder neblig oder finster ist und die satte Schwüle einen kaum atmen lässt, nimmt man schon nach ein paar Tagen nicht mehr wahr.

Hades hat sich zwar erst sehr gewundert, als ich wieder auftauchte, er rechnete nicht damit mich wiederzusehen – ich übrigens auch nicht. Schließlich fiel es ihm sehr schwer, mich damals wieder gehen zu lassen. Und obwohl ich nun wusste welche Qualen auf mich zu kämen, hatte ich große Schwierigkeiten die Torturen zu überstehen, aber nun da ich das Schlimmste überstanden habe und nun wieder mit den Qualen umgehen kann, jeden Tag mit Hades Karten spiele und Wein trinke, möchte ich hier auch gar nicht mehr weg.

Ab und zu kommt Dionysos vorbei und dann wird es so richtig lustig. Er kommt immer in Begleitung seiner Mänaden und auch Wein und was zu rauchen hat er jedes Mal dabei. So manches Mal haben wir nicht nur einen Tag lang gefeiert. Und erst letzte Woche kam Hekate herunter und ich unterhielt mich prächtig mit ihr. Du siehst, es fehlt mir hier nicht wirklich viel zum Glücklichsein.

Nachdem du mich hierher gestoßen und den Rückweg und den Ausgang gesprengt, zerstört – unmöglich gemacht hast, blieb mir ja nichts anderes als mich mit meinem Los abzufinden. Nun, da du langsam begriffen hast - beginnst einen Notausgang zusuchen, dir Gedanken machst, wie du mich vielleicht heraus holen könntest, wenn dir danach ist, bin ich gar nicht mehr willig zurück zu kehren. Fühle mich hier fast wie zu Hause und würde hier nicht mal weg wollen, wenn du mich in den Gestalten Athenes oder Aphrodites holen würdest. Zudem kann ich mit Hades hervorragend über alles mögliche philosophieren – was uns nie gelingen wollte – was du mit Recht immer bemängeltest.

Auch in Witz und Poesie sind wir auf einer Wellenlänge – was bei uns fast nie vor kam. Mit den übrigen Gestalten hier komme ich ganz gut aus. Sie sind nur recht schweigsam, aber damit habe ich ja nun gar keine Probleme - wie du dich bestimmt noch intensiv erinnern wirst.

Was bleibt, ist die bittere Erkenntnis, dass unser Verlangen uns ins Verderben stürzt, wenn wir uns ihm kritik- und kampflos hingeben. So hoffe ich hier nun meinen Frieden zu finden. Und was dich betrifft – so fällt es mir schwer es so einzugestehen, aber so ist `s nun mal – du bist mir gleich.

 

Ray Helming, Kiel 27.05.2003

 

letzte Bearbeitung: 19.04.2013 Literatur Kurzgeschichten Kontakt: Ray Helming