Die Verfluchten

Erstes Kapitel

Erste Szene


Erstes Jahr nach dem Fluch.

(König Egbert I. allein im Thronsaal auf und ab gehend, die Arme auf dem Rücken verschränkt.)

 

König: König: Unaufhaltsam dreht sich das Rad der Zeit

Vor nicht allzulanger, kam der kalte Herbst,

Der Sommer ging, und nicht mehr lang´

Da kommt der klirrend Winter herein geschneit.

Und ich, der König muß in all der Macht die ich

Über all den Menschen und dem Lande hab´

Nutzlos hier wartend wandeln wie ein Bauernbursch´.

Hoffend, daß ich zum zweiten Male nun

Einen Sohn von meiner Königin verdient bekomm´.

Mein August, der der erst gebor´ne ist,

Wird einst auf meinem Throne wie sein Vater

Über diesem Lande, das unser ist, mit harter Hand

Und klugem Kopf zu regieren wissen.

Er ist - ohne Zweifel, mein Stolz und Erb´,

Doch wenn ich noch ´nen Sohn gezeugt, mein Ruhm

Dann den jetzigen bei weitem übersteigt.

Und selbst, wenn ´s nur für ein weibisch Kind

Gar reichen sollt, ich wäre froh,

Auch wenn meine Freud´ über einen weit´ren

Männlich´ Erben diese bis in´s Unermeßliche

Übertreffen, übersteigen - doch eine Tochter soll,

So sagt man doch, das Herz des Vaters

Auch beglücken können - ich werd´s ja seh´n,

Doch nur, wenn ich das Pech bekommen sollt,

Kein weit´rer Jung´ mein Kind, mein Fleisch und Blut,

Doch was regt sich in meinem Kopf

Die Frage, was es denn nun schon wird,

Vielleicht ist´s schon längst gescheh´n?

Ach diese Ungeduld des langen Harrens

Würd´ doch endlich

 

(Minister kommt eilig mit gesenktem Haupt in den Saal, fünf Meter vor dem König auf die Knie fallend.)

 

Was ist´s?! Sprich!

Nun sag´s doch endlich! Warum schweigst du nur?!

 

Minister: Ein Sohn ist es, mein König!

Gesund und voller Kraft.

Die Königin...

 

(König fällt ihm freudig in´s Wort.)

 

König: Ein Sohn sprichst du? Wohlauf?!

Oh Gott ich danke dir,

Machst du mich doch zum stolzesten Manne

Meines Reiches - was red´ ich nur - der ganzen Welt.

Voller Kraft am ersten Tag zur ersten Stund´.

Nur ein König von edler Geburt bringt

Solch ein Götter Kind zustande.

Was steh´n wir hier noch dumm herum?!

 

(Er greift den Minister am Arm, zerrt ihn auf und will mit ihm zur Tür geh´n, doch der Minister hält ihn zurück.)

 

Ich will jetzt meinen zweiten Erben seh´n!

 

Minister: Mein König, ich muß,

Ich weiß nicht wie ich´s sagen soll?

 

König: Was hast du nur? an diesem Tag der Freude?

Das Kind ist wohl auf, sagst du,

Also mach nicht so ein schauerlich Gesicht.

Oder stimmt mit meinem Kinde doch irgend etwas nicht?!

Dann sprich, befehl´ ich dir!

 

Minister: Wie ich schon sprach

Der Knabe ist wohlauf und kerngesund.

Nur die Königin, sie ist sehr schwach.

Die Amme meint, daß sie, weil der Knabe

So groß von Wuchs, Unmengen von Blut verloren hat,

Sich quälen mußte, als wären´s Zwillinge,

Die zusammen das Licht erblicken wollten.

Und Gott allein hat nun Gewalt über Leben oder Tod.

 

König: Mein armes Weib,

Zwei Knaben hat sie mir geschenkt

Und muß nun ihr Leben als Preis bezahlen.

 

(Beide gehen langsam zur Tür.)

 

So jung, und doch dem Tode schon geweiht.

Jetzt frißt die Sorge um mein Weib

Die Freude über meine Vaterschaft,

Doch laß uns zu der Mutter geh´n

Um den Knaben schnell zu seh´n.

 

(Beide ab; Vorhang.)


Zweite Szene

Zweites Jahr nach dem Fluch.

König steht am Fenster allein in einem Raum.

 

König: Ein stolzer Vater von zwei

Gar prächt´gen Jungen bin ich wohl,

Dieser beiden kann ich mich doch mehr

Als glücklich schätzen. Sind sie doch

Aus meinem Fleisch und Blut, das edel ist.

Und doch, auch ein Mann aus hohem Blut

Ist nur ein Mann, den es nach einem Weib begehrt

Und für seine Söhne eine Mutter.

Noch sind die Prinzen jung und klein,

So daß sie sich in aller Ruhe

An eine neue Königin gewöhnen könnten.

Die mir ein treues Weib und ihnen

Eine liebe Mutter seien würd´.

Seh´ ich all die Vögel, wie sich diese

Hoch über´m Turme sammeln,

Künden von der kalten Zeit, vor der sie flieh´n.

Bin ich nicht König?!

Und ob! Keinen zweiten Winter werde ich

Allein in meinem Schlafgemach verbringen.

Nichts kann mir verweigert werden,

Was selbst dem dümmsten Pöbel,

Dem Vieh nach Herzenslust gewährt.

So werd´ ich diese Jungfrau frei´n,

Wenn´s sein muß mit Gewalt.

Ihr Adelsblut aus altem Grund

Ist grade gut genug für mich und meine Prinzen.

Ihr Oheim wird eh zufrieden über diese Ehre sein,

Sich vor Glück fast in den Himmel heben.

Voll Stolz wird er verkünden lassen,

Daß der König selbst es ist,

Der seine junge Frucht, die er gezogen,

Auserwählt und ernten wird.

Und das Volk soll eine Feier haben,

Die es auch bezahlen darf.

Ein jeder einen Zehnt der jetz´gen Ernte.

Alle Kerker will ich leeren,

Doch nicht der Freiheit will ich

All die Schurken übergeben - nein.

Sie sollen auf den Scheiterhaufen brennen,

Daß sie mir die Nacht zum Tage machen,

Wenn ich das Ehelager neu mit Blut beflecken werd´.

In dieser Nacht will ich einen neuen Sohn mir zeugen,

So wie es einem hohen Manne wohl gebührt.

Und nach der Nacht soll mich das Schlachtfeld rufen,

Viel zu lang ist mir mein Vetter

Mit seinen reichen Weiden

Ein Wildbret vor meiner Nase

Und mein Hunger ist nun allzugroß,

Als daß ich noch viel länger warten könnt´

Diesen nicht zu stillen - im Gegenteil

Die Zeit ist grade recht. Wie ein rotes Blatt

Soll sein Haupt zu Boden sinken,

Wenn mein Schwert seinen fetten Hals durchtrennt.

Seine goldgefüllten Kammern werden meine füllen,

Seine Untertanen werden meine sein,

Für mich allein werden sie dann auf dem Felde steh´n.

Und alles muß wie ein Sturm von statten geh´n.

 

(Starrt mit weit aufgerissenen Augen zum Himmel; Vorhang.)


Dritte Szene

(König Egbert I. liegt im Sterben, seine junge, schwangere Frau, Königin Margarete II. steht am Bett und hält seine Hand.)

 

König: (Stöhnend.)

Viel Zeit war uns nicht vergönnt,

Doch hinterlass´ ich dir, meinem August und Gustaf

Und unser´m ungebor´nem Kind

Ein großes, reiches Land, welches du verwalten sollst,

Bis meinem August die ersten Haare

An seinem Kinn sprießen, dann soll er,

Als der neue König, wie einst sein Vater

Mit eisenharter Hand regier´n,

Denn er ist der Erstgeborene,

Und nur diesem steht dies Recht

Von Alters her alleine zu.

 

Margarete: (Sich vor das Bett kniend.)

Es soll gescheh´n, wie du´s befiehlst.

Ich werde alles nach deinem Sinne lenken,

Und wenn die Zeit gekommen ist,

Daß August gar mannbar in volle Blühte tritt,

So soll er aus meinen Händen

Alle Insignien überreicht bekommen,

Wie´s der alte Brauch verlangt.

 

König: Ich seh´,

Daß ich mich auf dein Wort verlassen kann.

Ein Trost für mich zu wissen,

Daß alles nach meinem Wunsche,

Wenn Gott mich erst zu sich gerufen hat,

Auch laufen wird, in dieser all zu schweren Stund´.

Was würd´ ich nicht alles dafür geben,

Weiter an deiner Seite lang zu leben,

Zu sehen, wie du mir einen Sohn gebärst,

Und nach ihm noch viele mehr - ein ganzes Heer

Hätten wir gezeugt. - Ach und nun!

Nun rinnt der letzte Saft aus meinem

Vom Schmerz gepein´ten Körper unaufhaltsam raus.

 

Margarete: (Unter Tränen.)

Oh wehe mir, nicht mal ein ganzes Jahr

Hat Gott mir meinen Mann gegönnt.

Daß er ihn durch solche grausam Tat

Von meiner liebevollen Seite reißt,

Hab´ ich mich denn so an dir, oh Herr, versündigt?!

Nenn` mir meine Schuld, daß ich sie sühnen kann!

Ich fleh´ dich an und bet´ zu dir

Laß mir und meinem ungebor´nem Kind

Diesen hold gerechten Mann!

 

König: Ich fühle es, er hat sich schon entschieden

Und ruft mich nach und nach zu sich.

Verzage nicht, in keiner Stunde,

Denk´ an das, was du mir hast geschwor´n!

Sei stark in dieser schwachen Hüll`,

Die dein Körper ist, auf daß du jedem Sturme,

Auch dem allerstärksten, widerstehen kannst.

Sei selbst ein Sturm und fege alle Widersacher,

Die unser Land, die unser Haus bedroh´n

Mit allen Mitteln, die dir sinnen,

Mit aller Macht, die ich dir überlaß,

Die Feinde mit ihren ganzen Kindern,

Verschonen darfst du keinen!

Vom Angesicht der Erde fort, auf daß sie

Nimmer wiederkehren und auf Rache gieren mögen.

 

(Mit beiden Händen greift er ihre Arme.)

 

Schwör´ es mir!

 

(Sinkt tot in´s Bett zurück.)

 

Margarete: Mein König, mein Gemahl?!

 

(Springt erschrocken auf, tritt drei Schritte zurück.)

 

Hinüber ist er nun gegangen, läßt mich,

Sein schwanger Weib zurück, daß ich allein

Den reißend Wölfen gar ein Opfer werd`?!

Nimmer!

Ich will sie packen, ohne Furcht.

Will sie schütteln, will sie würgen,

Bis ihnen dünkt, daß ich die Königin

In diesem Lande bin.

Keine Zeit für Trauer,

Schweig´ still mein Herz!

Banne diesen Toten,

Der dich nimmer lieben,

Nimmer schützen wird!

Doch geschickt muß ich nun handeln,

Daß mir nur kein Fehler unterläuft,

Und mein Geiste sieht schon den Weg,

Den ich nun zu gehen hab´.

 

(Vorhang.)


Vierte Szene


(Königin Margarete II. steht am Fenster des Thronsaales, hält ihre Hände in den Rücken gebeugt um ihren runden Bauch zu stützen, es klopft.)

 

Margarete:

 

Herein!

 

(Minister tritt ein.)

 

Minister: Ihr habt mich rufen lassen

Und da bin ich schon - euer ergebenster Diener.

(Bewundernd.)

Wenn ich euch schmeicheln darf?

Ihr seht gar prächtig aus, so voller Kraft.

 

Margarete: (Kühl.)

Die ich auch dringend nötig hab´,

Bei dem Plane, den ich gedenk´ zu tun.

(Schmeichelnd.)

Und ihr werdet, so hab´ ich mich entschieden,

Mein Dolch in meinen Händen sein.

Weil, nur euch kann ich es wagen, so zu trauen,

Denn eure Treue zu diesem Haus ist ohnegleichen.

 

Minister: Ihr schmeichelt mir.

Doch könnt´ ich erfahr´n,

Welch ein Dolch ich seien darf?

Bevor ich mich ...

 

(Königin greift seine Hand vertrauensvoll und unterbricht ihn.)

 

Margarete: Mein lieber Otto,

Es mag euch im ersten Augenblick dies als

Gar gräßlich - grauenvolle Tat erscheinen,

Doch wenn ihr meine Gründe hören werdet,

Die mich zu diesem hartem Wege zwingen,

Wird sich nicht nur euer Herz, dem meinem,

In höchster Tönen, erweichen lassen,

Nein es wird sich rühmen können,

Dies Land mit neuen Augen seh´n zu können.

 

Minister: Ihr sprecht in Rätseln mir,

Und doch glaub´ ich, hinter diesem Schatten,

Daß ich einen schimmernd´ Schein erahnen kann.

 

Margarete: Laß uns diese Ahnung, die noch in euch,

Doch bald für uns zur Zukunft werden soll, gescheh´n.

Seid mein Dolch! Ich bitte euch!

 

Minister: (Ungeduldig drängend.)

So laßt mich doch den Plane hören,

Daß ich versichern kann ...

 

(Königin fällt ihm dazwischen.)

 

Margarete: Ich kann euch nicht eher

Das aller kleinste Wörtchen anvertrauen,

Bis ich den Schwur euch abgerungen,

Daß ihr nicht nur mein Dolch sein werdet,

Vielmehr auch kein Laut von diesem Plane

Aus dem Kerker eurer Zunge fliehen wird.

 

Minister: Ist´s denn solch ein widerwert´ger Plan,

Oder wie darf ich eure Verschwiegenheit begründen?

 

Margarete: Wer siegen will,

Muß zu Opfergaben fähig sein,

Auch wenn diese mit Blut und Fleisch,

Von den reinsten Wesen dieser Welt erbracht.

Ja, um die Gier von eurer Frage auch zu stillen,

Es ist ein blutenreicher teuflisch Plan.

Hab´ ich euch nun als meinen Dolch?!

 

(Sie starrt ihn mit weit aufgerissenen Augen an.)

 

Auf die Knie! Wenn ihr mir schwören wollt.

 

(Er sinkt zögernd auf die Knie und küßt ihre Hand.)

 

Minister: (Voll Leidenschaft.)

Ich schwöre euch, oh Königin,

Daß meine Lippen schweigen werden,

Daß ich der Dolch in euren Händen,

Für welchen Plan auch immer, sein will,

Dies schwöre ich bei Gott und eurem Kind.

 

(Er fällt vor ihr nieder und umklammert ihre Füße.)

 

So wie ich euch aus tiefster Brust,

Mit größter Leidenschaft begehr´.

Schmilz ich in euren Händen,

Wie der Schnee zur Sommerszeit.

Alles werd´ ich tun, daß ihr zufrieden seid mit mir,

Daß ich eure Dankbarkeit mit Recht verdien´.

Und nun sagt ihn mir, den Plan,

Auf daß ich eilen´s stürzen in die Welt mich kann,

Ihn zur Wirklichkeit - zum Leben wecken.

 

Margarete: (Mit zufriedenem Gesicht.)

Gut!

So höret denn, wie´s meinem Geiste sinnt.

 

(Vorhang.)


Fünfte Szene


(Margarete II. allein im Schlafgemach, liegt in ihrem Bett und betrachtet ihren Bauch.)

 

Margarete: (Fröhlich.)

Stramp´le nur, wie es dir gefallen mag,

Ich werd´ hier draußen dafür sorgen,

Daß du´s dann auch weiter kannst.

Du sollst meinen Thron bekommen

Und keines dieser beiden Weisen.

(Plötzlich ernst.)

Sind sie erst aus dieser Welt geschafft,

Keiner kann dir dann mehr nehmen,

Was ich für dich vollbracht.

Dies Land soll dir zu Füßen liegen,

Deine Herrschaft soll an Größe,

Bis an den Himmel reichen.

Für deine Macht, hab´ ich die Kinder,

Die bald des Todes sind, als Opfergaben aufgebracht.

Ein blut´ger Preis, doch ist er´s wert,

Da du sonst nicht - nie der neue Herrscher

In diesem Lande wärst, das nun unser ist.

Und unser bleiben soll - nein muß.

(Verträumt, mit den Armen in die Lüfte fahrend.)

Ich seh´ es jetzt schon vor mir,

Wie dich das Volk einst bejubeln, feiern -

Verehren wird, wie es nie zuvor ein Mensch verehrt´.

Und stolz wirst du die Würde tragen,

Daß man dir die Größe deiner Herrschaft,

Schon von fernem sehen kann - mit Recht.

Erzittern sollen dann die and´ren Königshäuser,

Wenn dein Name in ihren Ohren dröhnend klingt.

Ach mein Kind, es muß ein Wille Gottes sein,

Der dich hat auserkoren, großes in der Welt zu tun,

Als er mir den ungeliebten Mann, der dein Vater war,

Von meiner Seite wegzufegen,

Daß ich die Früchte seines schwachen ersten Weibes,

Die seine Söhne seien sollen, um ihre Würden -

Viel mehr, um ihr Leben bringen kann.

(Erschrocken und ängstlich um sich sehend.)

Doch ist die Greuel noch nicht gescheh´n,

Und dürstet´s mich nach Neuigkeiten,

Die Gier danach, sie schwillt von mal zu mal,

Wann wird der Henker seine Tat berichten kommen,

Daß ich mir sicher seien darf, daß kein,

Kein Geschöpf von dieser Welt mir die Macht,

Die dir gebührt entreißen kann.

(Auffahrend.)

Was ist, wenn der von mir bestimmte Dolch,

Weil sein Gewissen ihn zu diesem Schritte zwang,

Die Bluttat nicht hat ausgeführt,

Vielmehr der ganzen Welt von meinem Plane mitgeteilt?

(Für Sekunden inne haltend, auf einen Fleck starrend.)

Nein, welch dummen Streich spielst du mir da,

Mein Geist, weiß du doch recht, daß dieser,

Gerade weil er so lang´ in diesem seinem Amte steckt,

Ein Mann, von Zuverlässigkeit aus vollster Brust,

Zumal er sich um meine Gunst bemüht,

Solch große Hoffnung´ macht, und nur weil ich ihm,

Zur rechten Zeit, am gleichen Ort,

Worte, die gar süß in seinem Ohre klingen mochten,

Doch so lieb gemeint, wie einst das Wort,

Das ich meinem Gemahl noch schwören mußte,

Bevor er - bedauerlicher Weise - viel zu früh verstarb.

(Wieder lächelnd.)

Ach, was ist das für ein herrlich Tag,

An diesem schaff´ ich dir mein Kind ein Reich,

Den Weisen nur ein Grab, und mir

Mir gönn´ ich den wohl Genuß von Macht.

Ich könnte Tanzen, vor lauter Freude,

Ganz ohne Klängen von Musikanten,

Denn ist dein Strampeln, mir Takt genug.

(Beginnt zu tanzen.)

Wenn mich einer hier so sehen könnt´,

Ich wär dem Scheiterhaufen sicher nah,

Doch nur, wenn ich ein nichtig Bauernweib vom Stande wär´.

(Läßt sich auf das Bett fallen.)

Ich bin jedoch die Königin,

Die Herrscherin von diesem Land.

 

(Vorhang.)


Sechste Szene

(Der Minister einfach gekleidet auf einem Pferdewagen allein mit den beiden Prinzen auch einfach gekleidet, die im Stroh gebettet schlafen, er sieht mitleidig nach hinten.)

 

Minister: Oh Gott, welch schwere Bürde

Hast du mir und diesen beiden armen Knaben auferlegt?!

Wie sie aneinander liegen, friedlich,

Ahnungslos, über all den schlechten Dingen,

Die sie hier auf dieser Welt erwarten,

Träumen, von was weiß ich denn schon,

Bin schon viel zu alt, um mich

An meiner Kinderträumen zu entsinnen.

In keiner Stunde, meiner Schwäche, hätte ich

Das Schwert, um euch zu morden, fällen können.

So war es eure einz´ge Möglichkeit zur Flucht.

Und Gott hat mich erkoren, euer Henkersretter,

Der euch töten sollt, aus der Schlinge

Schnell zu zieh´n, bevor´s die Königin erfährt.

Was ich ihr erzählen werd´, laßt nur meine Sorge sein.

Doch zuallererst, wo kann ich euch sicher wissen?

Ist mir doch klar, daß ich den Bruder

Von dem and´ren trennen muß, um eure Sicherheit

So sicher als nur möglich zu sein.

(Zum Himmel schauend.)

Oh Herr, ich bitte dich,

Auf daß du meine Geschicke lenken mögest,

Zeige deinem armen Diener einen

Und für den and´ren, einen zweiten Platz,

Wo die Knaben sicher sind.

(Sekunden Ruhe.)

Ich danke dir oh Gott, für dieses Licht,

So weiß ich jetzt, wo die Orte sich befinden,

An denen jeder seinem Schicksale entgegen gehen kann.

Ist das denn schon der Fluch vom Alten,

Doch was irr´ ich jetzt in törichten Gedanken rum?

Es ist ein schweres Los, daß diese Kinder

Nicht zu dem mehr kommen können, was ihnen doch

Von Alters her, mit recht doch zugestanden hätt´.

Und ich bin mittendrin, in diesem gräßlichen Verrat,

Den ich verraten hab´,

Obwohl mein Mund doch schweigt, ja schweigen muß!

Verschlossen, zu getan, als hätt´ man mir die Zuge

Aus dem Maul gerissen, so verschwiegen muß ich sein.

Der Haß, die Abscheu, die ich tief in mir - zur Königin -

Verborgen halten muß, wie ein reißend Tier,

Das schon durch Blicke töten könnt.

Nicht einmal dem Herzensknecht von ihrer Majestät,

Kann ich entgegen treten, vor lauter Furcht,

Daß sie von meiner Rettungstat erfahren könnten.

So wohnt das Unrecht in diesem Land,

Im Königshaus, und es sieht, weiß Gott nicht danach aus,

Daß es in nächster Zeit gar gehen würd´.

Oh du mein König, dir habe ich

So viele Jahre treu gedient,

So soll dies nun - mein größter Dienst,

Den ich dir und deinen Söhnen bring´

Zugleich auch mein letzter sein,

Daß ich nach dieser Rettungstat

Von meinem Platze weichen werd´,

Sofern ich mit dem Leben, was mir noch bleibt,

Davon zu kommen hoff´, um mich und meinen Knochen

Ein letztes Stück der stillen Ruhe hinzugeben.

 

(August wird wach, und kriecht sich an den Minister ran, umarmt seinen alten Körper von hinten.)

 

Du bist ja wach?

Und ich brumme dummes altes Zeug in meinem Bart,

Anstatt dir eine Geschichte zu erzählen.

Willst du eine hören?

 

(August nickt verschlafen.)

 

Na gut, ich erzähle dir die Geschichte,

Die mir einst mein Großvater,

Als ich in deinem Alter war, vor´m Schlafengeh´n,

immer wieder neu erzählte.

Wie vor langer Zeit ein böser König

In einem fernem Lande wohnte,

So kam ihm zu Ohren,

Daß ein Kind in nächster Zeit geboren werden solle,

Oder gar schon sei, das ihn von seinem Throne stürzen werde.

In großer Furcht vor diesem Kind,

Gab er den Befehl, daß alle Kinder in seinem Lande,

Die schon ein Jahr gelebt und jünger,

Und alle weit´ren Kinder,

Die in den nächsten beiden Jahren geboren würden,

Dem großem Gott, geopfert werden müßten.

Viele Eltern flüchteten mit ihren Kindern,

Versteckten sich so gut es ging,

Doch noch mehr wurden dem Gott geweiht,

So kam es, daß auch er von seinem Weib ein Sohn bekam,

Den er sich so lange Zeit gewünscht.

Vor lauter Liebe, ließ er seinen Sohn,

Vor seinem eig´nem Gesetz verstecken, daß er nicht

Auch ein Opfer werden sollte.

Viele Jahre Vergingen, der König herrschte

Und sein Sohn wuchs an der Seite seiner Mutter

In der Ferne rasch heran.

Und als der Königssohn schon fast ein Manne war,

Erfuhr er von einer Dienerin, was damals,

Als er geboren wurd´, der böse Herrscher

Einst befehlen ließ, der ja sein Vater war,

Was er nicht wußte.

So machte er sich auf, den bösen König zu bestrafen.

Was er auch schaffte, denn das Volk, es half ihm sehr,

Jagte den König schließlich aus dem Land.

Und wie die Mutter dies erfährt,

Eilt sie zu ihrem Sohn, um ihm alles zu erzählen.

Vor lauter Scham über so viel Ungerechtigkeit,

Die sein Vater hat verübt,

Seine Mutter nicht verhindern wußte,

Und er, die Frucht der beiden,

Entging dem Morden, stieß er sich das lange Schwert

Durch sein jugendliches Herz.

 

(August schaut den Minister mit aufgerissenen Augen an.)

 

Ach mein Junge, was hab´ ich dir da nur erzählt?!

Kannst mich gerade so versteh´n

Und sollst schon solchen Erzählungen begreifen?

Ich dummer, alter Narr!

 

August: Nicht schlimm,

Schön war sie.

 

Minister: Noch nicht mal drei,

Und schon so schlau?

Mir wär´s lieber, wenn du noch nicht so weit,

Viel kleiner und auch jünger wärst,

Als du´s schon bist. Alles wäre dann viel leichter.

Ach schau, wir sind schon da.

Hier wirst du bei schlauen Männern

Herzlich aufgenommen werden,

Hier kannst du sicher wachsen.

 

(Vorhang.)


Siebente Szene

(Amme kommt in das Schlafgemach der Königin Margarete II. geeilt.)

 

Theresia: (Schreck und Tränen im Gesicht.)

Oh Königin, gar schreckliches ist gescheh´n.

Die Prinzen, ich suchte schon im ganzen Schloß,

Sind wie vom Boden fort - einfach weg.

Und auch der Minister ist vermißt.

Keiner hat sie auch geseh´n, noch daß einer wüßt´,

Wo sie sich gar finden könnten.

 

Margarete: (Beruhigend.)

Sei ohne Furcht, sie sind in Sicherheit.

Der Herr Minister ist mit den jungen Prinzen

Für ein paar Tage fortgefahr´n.

 

Theresia: (Ganz empört.)

Ohne mich?! Nicht einmal ein Wort hab´ ich erfahr´n.

 

Margarete: Der Minister hat mich beruhigt,

Daß er mit den Prinzen alleine fertig werden würd´,

Und daß ihr hier bei mir wicht´ger wärt,

Falls die Wehen, unvorhergeseh´n, früher kommen sollten.

 

Theresia: Männer Quatsch!

Ihr seit noch lange nicht soweit.

Er mag viel von den schweren Staatsgeschäften,

Da er ein alter, weiser Mann doch ist, versteh´n.

Doch von Frauen und auch Kindern hat er keinerlei Verstand.

Und ihr habt ihm geglaubt,

Ihn mit den Kindern gehen lassen?!

Ach, wo mögen meine beiden süßen Knaben,

Jetzt zu dieser Stunde stecken,

Wie mag es ihnen geh´n?

 

Margarete: Deine Sorge ist ganz ohne Grund.

Beruhig´ dich erst einmal! von deinem Klagen.

Besinne dich, du wirst bald einen dritten Prinzen

Unter deiner Obhut wissen können.

Stell´ dir vor, wie die Brüder einst in Eintracht

Leben und auch regieren werden.

 

Theresia: Möge Gott es machen,

Daß die Zeit bis dahin nicht vergehen will.

Weil ich alles and´re als holde Eintracht

In der fernen Zukunft seh´.

 

Margarete: Wie darf ich dein Wort versteh´n?

 

Theresia: Wie oft haben sich die Königskinder,

Nicht nur im Streit - nein auch im Krieg,

Um den Thron, das Land, die Macht gestritten,

Daß es nicht selten auch zum schändlich Brudermorde kam?!

Jetzt, da sie noch kleine Knaben sind,

Ist ihr Herz viel größer als ihre Gier zur Macht,

Doch spätestens, wenn ihnen die ersten Haare

Aus dem Kinne sprießen, wird das Herz von Gier

Gefesselt, hilflos dann am Boden liegen.

Vergessen sind dann die elterlichen Banden,

Die sie noch kurz zuvor zu besten Freuden wandten.

Doch jetzt, sind sie so hilflos, rein,

Ehrlich, lieb und klein - ich sorge mich.

 

Margarete: (Mitleidig.)

Sorg´ dich ruhig, ist´s doch dein Recht,

Welches einer Amme wohl gebührt.

Zeigt´s mir doch, daß du mit Leib und Seele dienst.

Doch bitt´ ich dich, zu geh´n,

Und mich allein zu lassen,

Daß ich mich noch auf dem Lager ruhen kann.

 

(Amme geht ab, Königin legt sich langsam auf´s Bett.)

 

Margarete: (Nachdenklich.)

Ach, ich dummes Weib!

Wie konnt´ ich nur vergessen, daß die treue Amme

Sich der Jungen sorgen könnt! Oh Gott!!

Für kurze Zeit, hätt´ ich gedacht,

Daß sie die Tat durchschauen könnt´.

Ein Glück für mich, daß ihre Gläubigkeit,

So groß, wie ihre Treue ist.

Ein Jammer wäre´s gewesen, wenn ich mich

Nach einer neuen Amme kümmern müßt´.

(Zum Bauch.)

Ihrer Liebe kannst du sicher sein, mein Sohn.

 

(Vorhang.)

 

 

Auswahl

 

letzte Bearbeitung: 29.01.2012 Literatur Dramen Kontakt: Ray Helming