Die Verfluchten

Zweites Kapitel


Erste Szene


(Minister mit August auf dem Arm, trifft im Klostergarten Bruder Ralf, den Abt des Klosters P.)

 

Ralf: Ich grüße euch, Fremder.

Was ist euer Begehr? Welcher Grund hat euch bewegt,

Diesen Weg hierher zu nehmen?

 

Minister: Ich bitte euch, ehrwürdiger Abt,

Diesen Knaben hier in eurem Schosse aufzunehmen.

Fragt mich weder, wer er ist, noch woher er kommt,

Nur so viel will und kann ich euch verraten,

Daß er seines Lebens nicht mehr sicher wär´,

Wenn er nicht in eurem Schutze,

Unbemerkt und unerkannt hier leben dürft´.

Je weniger ihr wißt, desto besser ist´s

Für mich, für euch und erst recht für diesen Jung´.

 

Ralf: Gut, ich will nicht weiter fragen,

Der Herr, unser Gott soll über ihn entscheiden,

Wenn er hier bei uns ein Heim gefunden hat.

Wir werden ihn in uns´rer Mitte willkommen heißen.

Komm mein Kind

 

(Nimmt August und stellt ihn auf den Boden.)

 

Woll´n doch mal seh´n, wie groß du bist.

Dann suchen wir dir ein kleines Bettchen,

Aber nun, verabschiede dich von deinem Onkel,

Denn ich seh´ ihm an, daß es ihn weiter zieht.

 

Minister: Ganz recht, die Zeit ist knapp,

Und für uns Alte, sowieso.

Leb´ wohl, mein August. Hab´ keine Furcht,

Die Brüder hier sind gute Menschen

Und werden dich mit Herz und Geist erzieh´n.

 

(Mit feuchten Augen drückt er den Jungen noch einmal, und geht.)

 

August: Ich will nicht.

 

Ralf: Es tut mir leid, kleiner August,

Doch mußt du dich nicht fürchten.

 

(Er nimmt den Jungen an die Hand.)

 

Magst du Katzen?

 

(Vorhang.)



Zweite Szene


(Fürst Neuburg sitz vor dem Kamin und trinkt Wein, es klopft, ein Diener kommt herein.)

 

Diener: Mein Fürst,

Ein alter Mann mit einem Knaben

Bittet um Gehör, es ist kein Bauer

Und auch kein Knecht.

 

(Neuburg schaut verwundert auf.)

 

Neuburg: (Brummig.)

Er möge warten bis ich ihn holen laß.

Nein, halt, warte!

Führe ihn in den Wappensaal,

Wo ich ihn empfangen will.

 

(Er stellt den Wein auf den Tisch und geht durch eine schwere Tür in den benachbarten Wappensaal, wo er sich an den Kamin stellt und wartet, nach kurzer Zeit kommt der Diener.)

 

Diener: Der Mann mit dem Kind.

 

Neuburg: Soll´n hereinkommen.

 

(Diener winkt und durch die Tür kommt der Minister mit Gustaf im Arm, Neuburg gibt dem Diener das Zeichen, daß er sich entfernen möge, und der Diener schließt hinter sich die Tür.)

 

Minister: Fürst Neuburg,

Ich weiß nicht, ob ihr euch an mich erinnern könnt.

Es ist schon viele Jahr her - sehr viele,

Als ihr mich das erste und das letzte Mal

In der Burg meines verstorb´nen Herrn,

König Egbert I. saht.

Ich bin sein treuer Minister

Über viele lange Jahre stolz gewesen.

 

Neuburg: Ich glaube, schwach,

Kann ich mich noch entsinnen. Das ist wahrlich

Viele lange Jahre her. Doch sagt,

Was führt Euch in mein Haus, was ist euer Begehr.

 

Minister: Ach, das ist eine grausame und lange Geschichte,

Doch da ihr danach fragt, werd´ ich sie euch erzählen.

Es geht um diesen armen kleinen Jungen

Den ich hier in meinen alten schwachen Gliedern halte.

Er ist der leibliche Sohn meines Königs Egbert.

Gustaf ist sein Name, seine Mutter, die Königin

Konnt´ das Kindbett nicht mehr lebend,

Nach seiner Geburt, verlassen.

Doch der König blieb nicht lang´ allein,

Weil er seinem Erben eine Mutter geben tat.

Die neue Königin, Margarete mit Namen,

Ward auch bald von des Königs Manneskraft

Geschwängert. Doch holte unser Gott, der Herr

Uns´ren König vor nicht all zu langer Zeit,

Durch einen schweren Sturz zu sich.

Da ich noch Minister bin und die neue Königin

Keinem in ihrem Hause trauen kann als mir,

Befahl sie mir unter heuchlerischen Worten,

Daß ich den Knaben beseit´gen möge,

(Mit Tränen.)

Diesen Wurm sollt ich den Fischen gönnen!

Auf daß ihr eigen Kind,

Welches sie noch in ihrem Leibe trägt,

Reich und Thron bekommen soll.

Doch diesen Knaben morden kann ich nicht!

Und so bitt´ ich euch,

Auf daß ihr euch des Knabens annehmt.

Ich weiß, daß eure Ehe kinderlos geblieben ist,

Ein Erbe gibt es nicht, so betrachtet diesen

Als Geschenk des Herrn, nehmt ihn als euer Kind

In diesem Hause auf, daß er euer Name tragen,

Ehren und auch weiter führen soll.

 

(Neuburg setzt sich auf einen Stuhl und starrt den Minister und den Knaben abwechselnd an.)

 

Minister: Was sagt ihr?

 

Neuburg: Langsam, langsam guter Mann!

Gebt mir Zeit mich daran zu gewöhnen.

Es kommt nicht alle Tage vor,

Daß ein Mann in meinem Alter

Von heut auf jetzt ein Kind bekommt und Vater wird´.

 

Minister: (Freudig.)

Das heißt, ihr nehmt ihn als

Eures Gleichen an? Oh, Gott, ich danke euch!

Gepriesen sollt ihr sein.

 

Neuburg: Genug, genug!

 

(Geht zur Tür und ruft den Diener.)

 

Erst mal will ich den Jungen in Frauenhände geben,

Daß er etwas zu sich nehmen kann.

 

(Diener kommt, Neuburg nimmt den Knaben und gibt ihn dem Diener.)

 

Geh´ mit ihm in die Küche, die alte Hanna

Soll sich um ihn kümmern. Beeile dich!

 

(Diener geht mit dem Knaben im Arm.)

 

Und was wird mit euch?

 

Minister: Ich werde zurück zur Königin mich eilen,

Denn schon viele Tage bin ich fort.

Ihr werde ich berichten, daß ich den Knaben

In´s Meer geworfen hab´, und den Bauern,

Daß ein Adler kam, der das Kind geraubt.

So daß niemand auf die Idee je kommen mag,

Den Knaben weder hier noch anderswo zu suchen.

Und auch euch möcht´ ich bitten,

Keiner Menschenseele je zusagen,

Daß ich hier gewesen bin,

Noch was heute hier geschah.

Da es um das Leben eures Kindes geht.

 

Neuburg: Ihr könnt gewiß sein, daß ich schweigen werd´.

Aber, bevor ihr euch auf den Heimweg macht,

Bitt´ ich euch, seid mein Gast zum Abendmahl.

Mögt ihr am nächsten Morgen mit frischen Pferden

Und ausgeruht die harte Reise wohl beginnen.

Da ich eure Bitte hab´ mit Stolz erfüllt,

Dürft ihr die meinige in keinem Falle von euch weisen.

 

Minister: Ihr habt ja recht, und so will ich bleiben,

Doch nur für eine Nacht.

 

Neuburg: Meine Frau wird aus allen Welten fallen,

Wenn sie erfahren wird, daß sie von nun an

Mutter ist, doch mit grenzenloser Freude.

Und ich kann euch jetzt schon sagen,

Daß sie euch nicht mit Fragen schonen wird.

 

Minister: Es wird mir eine Ehre sein,

Diese zu ihrer Zufriedenheit stillen zu dürfen.

 

Neuburg: Ihr müßt versteh´n,

Es kommt nicht allzuoft mehr vor,

Daß wir noch Gäste haben,

Somit ist die Neugier umso größer,

Wenn einer hier zu Gaste ist.

 

Minister: Seid unbesorgt,

Ich werde mich nicht schelten lassen.

 

(Vorhang.)



Dritte Szene


Drittes Jahr nach dem Fluch.

(Margarete II. sitzt allein in ihrem königlichem Gemach und stickt, es öffnet sich eine geheime Tür und Karl tritt ein.)

 

Karl: Ich trau´ dem Alten nicht,

Möget ihr in ihm Vertrauen haben - ich nicht.

Er ist eine ständig schwebende Gefahr,

Und gehört beseitigt in meinen Augen,

Lieber jetzt als nie, denn Tote schweigen eher,

Als lebend sie zu sagen fähig sind.

 

Margarete: Schweigt! Glaubt ihr, ich habe nicht

Jede Sekunde, die ich nicht schlafen kann,

Mit diesen mörderisch Gedanken hin und her gedacht.

Bis jetzt hab´ ich ihn noch viel zu sehr gebraucht,

Als daß ich ihn hätt´ entbehren können.

Keiner kennt sich mit den Staatsgeschäften so gut aus.

Und ist nicht mein Kopf der Schlinge näher,

Als dem euren, da es mein Befehl gewesen war.

Von euch, weiß, wenn überhaupt,

Kein Mensch, was sorgt ihr euch.

 

Karl: Um euretwillen sorg´ ich mich.

 

Margarete: Um meinetwillen?

Aus Liebe, oder giert es euch nach meinem Thron?

Verzeiht, ich bin ungerecht. Es ist mein Leben,

Daß ich doppelt führen muß, daß mich so kalt

Hat werden lassen, in dieser warmen Zeit.

 

Karl: (Nimmt sie in die Arme.)

Ach meine arme, arme Königin, welch schweren Weg,

Seh´ ich vor meinen Augen sich erstreckend,

Den wir noch gehen müssen, um unser Ziel,

Daß noch in so weiter Ferne liegt, zu schau´n

Und erst recht in unsern Händen halten können.

 

Margarete: Verzehrt es euch so sehr,

Daß ihr den alten Manne tot am Boden liegen

Sehen müßt, daß eure Furcht beruhigt?

 

Karl: Viel mehr als dies.

Ich will ihn, bevor er zu den Toten flieht,

Unter folterschweren Qualen fragen,

Wer noch vom Morde weiß.

Erst dann, wenn ich die Namen jener hab´,

Die ihm sicher folgen werden - weil sie´s müssen,

Kann sich mein Herz, das euch gehört,

Mein Geist der Ruhe sorglos hin ergeben.

 

Margarete: Und wenn er schweigt?

 

Karl: Nimmer!

Kein Mensch kann diese Qualen tragen,

Die ich für ihn aus tiefstem Haß bestimm´.

 

Margarete: Und wenn außer ihm und euch

Kein Mensch vom Kindermorde weiß?

 

Karl: Dann habe ich Genugtuung,

Wenn ich den Manne leiden seh´n darf,

Der meines Vaters schlimmster Feind

Gewesen war, an diesem Hof.

 

Margarete: Ihr möget ihn haben,

Ich schenk´ ihn euch, macht was euch gefällt mit ihm.

Wahrscheinlich habt ihr Recht, wenn ihr ihn

Als eine ständige Gefahr, gleich einem Schwerte,

Daß über unser beider Köpfe bedrohlich

Schwingend seht, zum Hieben jederzeit bereit.

 

Karl: Ihr werdet es zu keiner Zeit bereu´n,

Daß ihr diesen treuen Diener, eures toten Bockes,

Mir fürsorglich habt anvertraut.

 

Margarete: Das will ich hoffen, um unsertwillen.

 

Karl: Unser Wille wird gescheh´n.

Alle Hindernisse werden sich furchtsam

Aus dem Wege schleppen, froh, daß sie ihre Haut

Heil von dannen tragen durften.

Jetzt, da ich den Alten des Todes seh´.

Frag´ ich euch, wer soll uns jetzt noch halten!

 

(Vorhang.)



Vierte Szene


(Margarete liegt im Bett, die Amme steht an der Wiege und redet mit dem Säugling.)

 

Theresia: Ach, was hat denn unser Siegfried?

Will er vielleicht schon sprechen?

Aber das kann er doch noch nicht.

Aber mit den Augen kann er reden,

Und die sagen mir, daß er hungrig ist.

Nicht wahr?

 

Margarete: Gib ihn mir!

 

Theresia: Jawohl meine Königin, sofort.

 

(Nimmt den Prinzen aus der Wiege und gibt ihn der Königin ins Bett.)

 

Theresia: Er ist so wunderschön,

So wie man sich einen Prinzen wünschen mag.

 

Margarete: Ja.

 

Theresia: Ich bin ja so froh, daß dieses Haus

Einen solchen Erben hat bekommen,

Nachdem das Schicksal

Uns die and´ren so leidensvoll genommen.

Und er ist ein so schöner Knab´,

Gar nicht genug kann ich ihn schau´n.

Mit welcher Kraft er schon vermag,

Nach der mütterlichen Hand zu greifen.

Als ginge`s ihm nicht schnell genug,

Daß er sein morgendliches Mahl bekäm´.

 

(Margarete gibt ihm die Brust.)

 

Mit welchem Hunger er begierig seine Milch verschlingt,

Als hätte er seit Tagen nichts bekomm`.

 

Margarete: (Lachend.)

Au, nicht so hastig.

Du tust mir ja weh.

Schau einer diesen Nimmersatt!

 

Theresia: Sag´ ich`s nicht.

Gesunder Appetit, wie man´s wünscht,

Schon fast zuviel.

 

Margarete: Ich glaub´, er hat ganz wohl bemerkt,

Daß er der künft´ge König seien wird,

Sein Benehmen hat er schon so eingestellt,

Daß er der jen´ge ist, der sagt, wo lang es geht.

Trink, auf daß du groß und kräftig wirst.

 

Theresia: Doch wenn er weiter so begierig saugt,

Müssen wir ein neues Schloß errichten,

Denn viel zu klein wird ihm dies hier dann sein.

Ein Riese wird er werden, gleich dem Goliath,

Die ganze Welt, aus Furcht vor ihm, ergeben

Sich auf den Boden werfen, winselnd schrei´n,

Daß er sie nicht zu Staub zermalmen möge.

 

Margarete: Das wird er, ganz gewiß.

Und die schönsten Königreiche wird man ihm

Als Mitgift bieten, daß er die Königstöchter

Jener Länder zu Weibern nehmen möge.

Da ein jeder König, solchen stattlich Prinzen,

Der selber künftig König werden wird,

Zum Schwiegersohn sich erträumend hofft.

Und du liebe Theresia, sollst auch seinen Kinder hüten,

Wenn Gott dir ein solch hohes Alter vergönnt.

 

Theresia: Ach, meine Königin.

Daran kann ich gar nicht denken,

Viel zu schön ist dieses Leben,

Daß ich glücklich bin, was ich zur Zeit erleb´.

Viel zu schnell könn´ Wolken, die nicht nur Regen,

Viel zu oft auch Sturm, Donner, Blitze

Und tiefste Dunkelheit erzeugend,

Vom Horizont her zieh´n, bringen Leid und Tot.

Oft genug hab´ ich´s erlebt,

Drum genieß´ ich diesen Augenblick,

Da ich den Jungen überglücklich sehen darf

Und schiele nicht auf das,

Was vielleicht morgen

Oder niemals kommen mag.

 

Margarete: Tatst du nicht aber mit mir zuvor

In schönen Träumen schwelgen, dir die Zukunft

Meines Sohnes in den schönsten Farben malen?

 

Theresia: Ganz recht.

Es war die Zukunft eures Sohnes,

Nicht die meine.

Ihm ist vom Schicksal höchstes vorgeseh´n,

Da er von Geburt aus hoch sich fühlen darf.

Ich hingegen, bin nur klein und unscheinbar.

Wir Niederen müssen uns mit dem begnügen,

Was wir fühlen, sehen, hören dürfen,

So hat es Gott bestimmt.

Doch wer von Kindesbeinen an der Herrschaft angehört,

Kann Strafen und auch Glück verhängen,

Kann Dinge schaffen, die nur ihm gegönnt,

Kann alles sagen, was ihm auf der Seele brennt.

 

(Nachdenkliches Schweigen für Sekunden.)

 

Margarete: Ich glaube er ist eingeschlafen.

So sehr hat ihn das Trinken angestrengt.

 

Theresia: Bei seiner Gier, wundert´s mich kaum.

 

Margarete: Komm, nimm ihn mir ab,

Leg´ ihn wieder in seine Wiege,

Denn auch mich hat`s müd´ gemacht.

 

(Vorhang.)



Fünfte Szene


Sechstes Jahr nach dem Fluch.

(Karl I., König von N., geht allein im Thronsaal auf und ab.)

 

Karl: (Nachdenklich.)

Viel zu lange schon

Trag´ ich diesen Wunsch mit mir herum,

Doch was soll ich tun?

Kann mich nicht

Gegen diesen übermächt´gen Feind erwehren.

(Lebhaft.)

Red´ ich von Feind?! Ich Narr!

Ein Freund ist er!

Nur durch seine Willenskraft habe ich den schweren Weg

Bis hier an diesen Ort geschafft, wo ich nun steh´.

Nein, verfluchen darf ich ihn zu keiner Zeit,

Er ist´s, der mich ständig vorwärts treibt,

Gönnt mir keine Ruh´, bis ich voller Glück,

Jenes, wonach mein Herz sich grad verzehrt,

In meinen Händen halten kann.

Ja, es ist die Kraft,

Die in meinen Augen ganz allein das Weltensein

Nach vorne schafft.

Keine mir bekannte Macht der Welt,

Hat je solche - ich will es Wunder nennen -

hervorgebracht. Und nun, nun ist die Zeit gekommen,

Lebewohl zu sagen - Margarete, der Punkt ist da,

Wo ich deiner mich entled´gen werd´,

Denn Herrschen will - muß - ich ganz allein,

Mit keinem Menschen will ich diese Herrschaft teilen,

Um die ich so unendlich lang´ gekämpft,

Hinter falscher Larve mich versteckt, doch nun,

Der Sieg ist nah´. Daß ich schon sagen könnt,

Er ist schon mein, schon fühl´ ich ihn

In meinen Händen, wie er wächst, bei meiner Liebe,

Die ich ihm spende, aus tiefster Gier heraus.

Jeden Tag, den ich mit ihr noch weiter gehen muß,

Höllenqualen, die ich nicht ertragen will.

 

(Zieht ein kleines Fläschlein hervor.)

 

So muß dieses Säftlein, meine Margarete,
(Sarkastische Stimme, fällt auf die Knie.)

 

Dahin ist sie geschieden?!

Oh, welche Trauer, welch ein Leid!

Oh Gott, warum hast du mir mein Weib entrissen,

Hab´ ich mich an dir so sehr versündigt,

Daß du mir genommen,

Was ich am meisten liebte!

 

(Steht wieder auf, ganz ernst.)

 

Genug des Narrenspiels, auf auf zur Wirklichkeit!

Was bleibt, ist Siegfried,

Doch nicht als Erbe meines Thrones,

Schon gar nicht hier.

In ein Kloster soll geschafft er werden,

Wo niemand weiß, wo es liegt.

Wo niemand weiß, woher er kommt, noch wer er ist.

Und mit eig´nen Händen will ich den Narren,

Der mir diesen Dienst erweisen wird,

Zu Tode würgen, daß er dies Geheimnis

Mit sich nimmt in´s Grab auf nimmer Wiederkehr.

 

(Setzt sich auf den Thron.)

 

Von mir aus kann ich dann zur Hölle fahren,

Wenn die meine Stunde schlägt,

Doch glaub´ ich eher an dies´ irdisch Leben,

Weil es so lebhaft ist.

Als an das Himmelsreich, weil ich nicht an diesen reich´.

So fühl´ ich jetzt - in diesem Augenblick!

Sollt´ ich mich irren, oh Gott, und es dich

Wirklich gibt, so bitte ich dich, streck´ mich

Mit deinem Donnerblitze nieder, auf daß ich mich

Von dir bekehren lassen will und alle meine Sünden

Büßen muß.

Ich lebe noch?!

Also gut, so soll es sein.

Dann bin von heut´ an

- ICH -

In diesem Lande Gott.

 

(Vorhang.)



Sechste Szene


(Hein, ein Diener von Karl I. mit dem kleinen Siegfried an der Hand, klopft an der Forte des Klosters P., die Forte wird geöffnet.)

 

Mönch: (Ehrfurchtsvoll.)

Ja?

 

Hein: (Zögernd.)

Ich möchte zum Abt,

Welcher hier das Sagen hat.

 

Mönch: Wie ist dein Name, den ich melden kann,

Und nenn´ mir dein Begehr, welches dich hierher,

Zu uns, getrieben hat, an diesen gottgeweihten Ort.

 

Hein: So höret denn, man nennt mich Hein.

Und mein Begehr steht neben mir.

Der Junge ist´s, weshalb ich zu euch kam.

 

(Hein und Siegfried betreten den Klosterinnenhof.)

 

Mönch: Nun gut, warte hier!

Ich geh´, um dir Bruder Ralf herbeizuholen.

Er ist hier der Abt, nach dem du fragtest,

Der dir helfen kann und wird,

Wenn Gott es will.

 

(Mönch ab.)

 

Siegfried: Hein!? Ich habe Angst.

 

Hein: Das brauchst du nicht, mein Kind. Sei unbesorgt.

 

(Bruder Ralf kommt in den Hof.)

 

Ralf: Gott mit dir, mein Sohn

(Zu Siegfried.)

Und auch mit dir mein Kind.

Wie heißt du denn?

 

(Siegfried versteckt sich ängstlich hinter Hein.)

 

Aber aber, wer wird denn gleich Angst haben?

 

Hein: Ihr müßt versteh´n Bruder Ralf,

Der Junge ist noch sehr klein und ängstlich.

 

Ralf: Schon gut, nicht so schlimm.

Was ist dein Begehr?

 

Hein: Der Junge ist´s.

 

Ralf: Er soll in uns´ren Mauern wachsen?

 

Hein: Ganz recht.

 

Ralf: Er ist nicht dein Sohn?

 

Hein: Nein, ist er nicht.

Doch fragt bitte nicht weiter,

Zum Wohl des Jungen, ich bitte euch.

 

Ralf: Ich versteh´.

Du kannst ihn ohne Sorge bei uns lassen.

 

Hein: Ich danke euch!

 

Ralf: Dank´ nicht mir,

Dem Herrn mußt du danken,

Denn er hat dich hierher gebracht.

 

Hein: Daß werde ich ganz bestimmt.

Lebt wohl Bruder Ralf, auch du

Mein kleiner Siegfried.

Wir werden uns nie wieder seh´n.

 

Siegfried: (Weint los.)

Hein, bleib´ hier.

Nimm mich mit, Hein!

 

Hein: (Schon an der Forte.)

Das kann ich nicht.

(Ab.)

 

Ralf: Siegfried heißt du?

Also gut Siegfried,

Ich zeige dir das Kloster.

Womit soll ich beginnen,

Mit der Kirche oder mit dem Stall?

 

(Vorhang.)

 

 

Auswahl

 

letzte Bearbeitung: 29.01.2012 Literatur Dramen Kontakt: Ray Helming